Queerfeindlichkeit umfasst sämtliche feindseligen Verhaltensweisen, die sich gegen queere Menschen richten. Dazu gehören zum Beispiel:
- Spott oder Herabwürdigung wegen sexueller Vorlieben.
- Das bewusste miss‑gendern von Personen, die nicht dem binären Geschlechtermodell entsprechen.
- Die Verwendung von Begriffen wie „Lesbe“ als Schimpfwort.
Solche Äusserungen und Handlungen signalisieren, dass bestimmte Identitäten ausserhalb einer engen Vorstellung von „Normalität“ nicht akzeptiert werden.
Wir sprechen dann von internalisierter Queer‑Feindlichkeit, wenn queere Personen die negativen Vorurteile und Stereotype, die in der Gesellschaft verbreitet sind, übernehmen und auf sich selbst anwenden. Das Ergebnis ist eine innere Ablehnung oder Abneigung gegenüber der eigenen Identität.
Beispiele:
- Bisexuelle Frauen zweifeln an ihrer Bisexualität, weil sie bislang nur Sex mit Männern hatten.
- Menschen mit kinky Vorlieben empfinden Scham oder Ekel für ihre eigenen Kinks.
- Trans‑Personen werten sich selbst ab, weil ihr Geschlecht nicht der gesellschaftlichen Erwartung entspricht.
Wichtig: Diese innere Ablehnung ist niemals die Schuld der betroffenen Person. Sie ist das Resultat einer queer‑feindlichen Kultur, die eine enge, normativ definierte Vorstellung von „Normalität“ propagiert und alles, was davon abweicht, abwertet.
Wie wird das Phänomen wissenschaftlich untersucht?
In den Sozialwissenschaften wird das Thema im Rahmen des Minority‑Stress‑Modells analysiert. Dieses Modell beschreibt, wie strukturelle Diskriminierung und Stigmatisierung zu zusätzlichem Stress bei Minderheiten führen. Studien zeigen, dass interne Queer‑Feindlichkeit konkrete Konsequenzen für die Betroffenen hat.
Nachweisbare Folgen (Meyer 2003):
- Coming‑Out‑Prozess: Negative Selbstwahrnehmung erschwert das offene Ausleben der eigenen Sexualität.
- Umgang mit HIV: Interne Stigmatisierung kann die Akzeptanz einer HIV‑Diagnose behindern und die Bereitschaft zur Behandlung mindern.
- Suizid‑Risiko: Queere Menschen mit hoher interner Queer‑Feindlichkeit weisen ein deutlich erhöhtes Suizidrisiko auf.
Bisher konzentrieren sich die meisten Untersuchungen auf LGBT‑Personen. Weniger erforscht ist, ob ähnliche Effekte bei anderen marginalisierten Gruppen auftreten, etwa bei:
- Polyamorösen
- Personen mit einer Kinky Sexualität
- asexuellen Menschen
Eine gezielte Untersuchung dieser Gruppen könnte Aufschluss darüber geben, welche zusätzlichen Risikofaktoren bestehen und wie Unterstützungssysteme verbessert werden können.
Hast du selber bereits diese Form von internalisierter Queerfeindlichkeit erlebt? Schreib es uns in die Kommentare.
Literatur
Kyle K. H. Tan , Gareth J. Treharne , Sonja J. Ellis , Johanna M. Schmidt &
Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Tiziana Jäggi (Psychologie), die aktiv am Minority‑Stress‑Model geforscht hat, sowie mit Jonas Wittwer (Philosophie), welche*r sich mit Unterdrückungsmechanismen beschäftigt.
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