Kennst du das? Du versuchst gerade dein Queer-Sein, deine Non-Monogamie oder die Diskriminierung, die du als FINTA erlebst, einer anderen Person zu erklären und hast dabei das Gefühl: Eigentlich interessiert es mein Gegenüber gar nicht…
Die Philosoph*in Nora Berenstein spricht in diesem Kontext von “Epistemic Exploitation", also übersetzt “epistemischer Ausbeutung” (2016). Das Wort “epistemisch” verwenden wir in der Philosophie im Zusammenhang von Prozessen, bei denen es um Wissen oder Überzeugungen geht.
Ich gehe mit dir kurz durch einige zentrale Punkte in ihrem Paper.
In ihrer Einleitung schreibt Berenstein:
“Epistemische Ausbeutung geschieht, wenn privilegierte Personen marginalisierte Personen dazu zwingen, diese über ihre Unterdrückung aufzuklären. Ich argumentiere, dass epistemische Ausbeutung dadurch gekennzeichnet wird, dass es eine nicht-anerkannte, nicht kompensierte, emotional anspruchsvolle, erzwungene epistemische Arbeit ist.” (S. 569)
Dies geschieht oft im Kontext von sozial breit akzeptierten Fragen (S. 571):
- Ich möchte ja nur Fragen stellen..
- Ich bin interessiert zu lernen…
- Ich möchte nur eine alternative Erklärung anbieten
Das Problem ist aber, dass hier eben am Schluss oft kein wirkliches Interesse am Lernen besteht. Es geht vielmehr darum, die unterdrückte Person beschäftigt zu halten. Die skeptische und fragende Haltung der dominanten Person wird so zu einem Instrument der Unterdrückung selbst und die ganze Erklär-Arbeit ist eigentlich umsonst (S.578, 586).
Können sich marginalisierte Personen vor solchen Situationen schützen? Leider nur bedingt. Denn oft haben sie gar keine echte Wahl, auszuweichen. Denn wenn sie nicht reagieren, bestätigen sie ja ihr Gegenüber nur in seinen Vorurteilen und in der Annahme, dass es eigentlich gar kein Problem gäbe. Sie müssen sich also dieser emotional so anspruchsvollen Arbeit stellen oder hinnehmen, dass eben die Vorurteile bestätigt werden (573, 575–576)
Beispiele für epistemische Ausbeutung:
- Eine trans Person erklärt im Fernsehen was Nicht-Binärität ist, doch die Moderation geht gar nicht darauf ein, sondern gibt sogleich das Wort trans-feindlichen Politiker*innen, um “ausgewogen” zu sein.
- Eltern fragen immer wieder nach, ob das mit der Polyamorie denn wirklich funktionieren kann, jedoch ohne sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen und wirklich versuchen, zu verstehen.
- Ein Mann lässt sich immer wieder Sexismus erklären, ohne aber das Gelernte auf das eigene Verhalten anwenden, oder anwenden zu wollen.
Wo hast du epistemische Ausbeutung schon erfahren? Schreib es uns in die Kommentare! Schreib uns auch, wenn du noch Fragen zum Blogbeitrag hast.
Text: Jonas
Gegenlesen: Levyn, Seraina, Anastasia
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